Jahreschronik 2016

Verfasst von Veronika Fischer

I. Beiratstagung: 40 Jahre DGRI (30.4.2016)

Die Deutsche Gesellschaft für Recht und Informatik (DGRI) e.V. feierte 2016 ihr 40-jähriges Bestehen und beging dies mit einer Reihe von Festveranstaltungen. Den Auftakt bildete die Tagung des Beirats am 30.4.2016 unter der Leitung von Prof. Dr. Indra Spiecker gen. Döhmann, Goethe-Universität Frankfurt/M., und RA Dr. Matthias Scholz, Frankfurt/M. Sie befasste sich mit der europaweiten Neuregelung des Datenschutzrechts. Unter der Prämisse „Quo vadis Datenschutz?“ diskutierten Vertreter aus Wissenschaft, Politik und Praxis über Ausblicke und Gestaltungsmöglichkeiten bei der Anwendung des neuen Rechts.

Nach einführenden Worten von Prof. Dr. Michael Bartsch zum 40-jährigen Bestehen der Gesellschaft richtete Prof. Dr. Dres. h.c. Spiros Simitis den Blick auf die Geburt des Datenschutzrechts. Prof. Dr. Johannes Masing, Richter des BVerfG, befasste sich mit den Herausforderungen an den materiellen Datenschutz in der Digitalisierung. Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Vassilios Skouris, Präsident des EuGH a.D., zeichnete die Leitlinien und mögliche Weiterentwicklung der EuGH-Rechtsprechung nach. Jörg Eickelpasch, Regierungsdirektor, Bundesministerium des Innern, skizzierte Reaktionsmöglichkeiten und Gestaltungsräume des nationalen Rechts. Anschließend gab Jan Philipp Albrecht, Mitglied des Europäischen Parlaments, einen Ausblick auf die Konstruktionsfelder in Europa und die Rolle der EU-Institutionen nach Verabschiedung der Datenschutzgrundverordnung. Der Vorsitzende der DGRI, Prof. Dr. Dirk Heckmann, Universität Passau, resümierte in seinem Schlusswort die neuen Anforderungen an die IT und rundete die Veranstaltung mit dieser Vorschau auf die künftigen, innerhalb der DGRI zu bearbeitenden Themenfelder ab.

II. 23. Drei-Länder-Treffen 2016, Hambacher Schloss (2.–4.6.2016)

Das Drei-Länder-Treffen 2016 bildete den zweiten Höhepunkt des Jubiläumsjahres und fand in historischer Umgebung auf dem Hambacher Schloss in Neustadt an der Weinstraße statt. Das Programm gliederte sich in die Themenblöcke Know-how-Schutz von IT, Datenmacht und Blockchain – Bitcoin – Smart Contracts.

Der erste Block am Freitag war dem Know-how-Schutz gewidmet. Zum Auftakt gab RA Dr. Michael Dorner, München, einen Überblick über den Schutz nach der EU-Richtlinie. Es folgten Referate zur Rechtslage in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die deutsche Perspektive steuerte RA Dr. Sascha Pres, Berlin, bei. Aus Österreich referierte RAin Mag. Barbara Kuchar, Wien, und aus Schweiz RA Dr. Andràs Gurovits, Zürich.

Im Themenblock Datenmacht steuerte Dr. Anna Zeiter, Head of Data Protection EMEA, eBay International AG, Bern, einen Praxisbericht zum Datenschutz durch oder trotz Privacy Shield bei. Prof. Burkhard Schäfer, University of Edinburgh, berichtete von den gegenwärtigen Bemühungen in Großbritannien, einen ethischen und rechtlichen Rahmen für den Umgang mit Big data analytics und der Verwendung algorithmischer Verfahren zu errichten.

Es folgten die traditionellen Updates zu den aktuellen Entwicklungen in Gesetzgebung und Rechtsprechung in den Ländern. Es berichteten RA Prof. Dr. Jochen Schneider, München (D), RAin Mag. Valerie Eder, Wien (A), sowie RA Dr. Daniel Alder, Zürich (CH). Seinen feierlichen Abschluss fand der erste Tag des Drei-Länder-Treffens beim Sommergrillen auf dem Hofgut Ruppertsberg.

Der Samstag gehörte dem Thema Blockchain – Bitcoin – Smart Contracts. Moderiert von Prof. Dr. Dr. Walter Blocher, Universität Kassel, ging Florian Idelberger, Europäisches Hochschulinstitut, Fiesole, Italien, zunächst auf die technischen Grundlagen ein. RA Florian Glatz, Berlin, schilderte praktische Anwendungsmöglichkeiten und RA Dr. Lukas Feiler, Wien, erörterte die rechtlichen Grundlagen. Abgerundet wurde der Themenblock durch eine ökonomische Perspektive zu Blockchain und Bitcoin, die Dr. Thomas Ankenbrand, Hochschule Luzern, beisteuerte. In der anschließenden Diskussion mit den Referenten wurden zahlreiche weitere Aspekte beleuchtet.

III. Jahrestagung der DGRI, Frankfurt/M. (17.–19.11.2016)

Den feierlichen Abschluss fand das Jubiläumsjahr mit der DGRI-Jahrestagung 2016 in Frankfurt/M. Sie stand unter dem Oberthema „IT Macht Recht“ und wurde von der Goethe Universität Frankfurt/M. beherbergt. Sie widmete sich einem zentralen Thema der IT-Entwicklung im 21. Jahrhundert: Welchen Einfluss hat IT auf das Recht, ist rechtliche Steuerung in Zeiten allgegenwärtiger Digitalisierung überhaupt noch möglich? Verwehrt oder fordert das Recht Zugriff auf die IT? Hier stellt sich auch die Machtfrage: Die Geschäftsmodelle global agierender IT-Unternehmen vertragen kaum Regulierung – Algorithmen drängen zur Macht.

Der Begrüßungsabend auf Einladung der Frankfurter IT-Rechtskanzleien in der Skyline Eventlocation WINDOWS 25 bot den Teilnehmerinnen und Teilnehmern Gelegenheit zum Austausch und Networking.

Der erste Themenblock am Freitag, moderiert von RA Dr. Anselm Brandi-Dohrn, Berlin, stand im Zeichen der Steuerung und Kontrolle im zweiten Maschinenzeitalter. Prof. Dr.-Ing. Peter Liggesmeyer, Präsident der Gesellschaft für Informatik e.V. (GI), eröffnete die Jubiläumstagung mit einer Keynote: Smart Everything – welche Macht hat IT? Anschließend berichtete Prof. Dr. Thomas Fetzer, Universität Mannheim, von dem Fachdialog um die Fortentwicklung eines zukunftsfähigen Ordnungsrahmens für die digitale Wirtschaft. Prof. em. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Kilian, Leibniz Universität Hannover, zeichnete Idee und Wirklichkeit der Rechtsinformatik in Deutschland nach.

Mit dem Best Speech Award der DSRI Herbstakademie 2016 wurde Sebastian Telle, Universität Oldenburg, ausgezeichnet. Er präsentierte seinen dortigen Vortrag Big Data und Kartellrecht – Relevanz datenbasierter Geschäftsmodelle im europäischen und deutschen Kartellrecht (abgedruckt in diesem Band unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung sowie der 9. GWB-Novelle).

Der zweite Themenblock war in parallele Sitzungen zu „Recht und Informatik im Wandel“ aufgeteilt. Die Parallelsession I, zugleich der 5. Frankfurter IT-Rechtstag, wurde von DAVIT ausgerichtet. DAVIT überbrachte damit der DGRI die Glückwünsche zum 40-jährigen Bestehen. Der Fokus dieser Session unter Moderation von Prof. Dr. Indra Spiecker gen. Döhmann, Goethe-Universität Frankfurt/M., lag auf der Anwaltspraxis und befasste sich mit dem Internet der Dinge (IoT). Prof. Michael Rotert, Vorstandsvorsitzender eco – Verband der Internetwirtschaft e.V., Köln, ging zunächst ganz allgemein auf die Chancen für die Digitalisierung in Deutschland ein, und anschließend beleuchtete Dr. Thomas Lapp, Frankfurt/M., IoT als Chance und Aufgabe für die Anwaltspraxis. Es folgte ein Vortrag zu den Entwicklungen bei Bezahlsystemen im Internet von Dr. Valeria Schöttle, Wirecard AG, Aschheim.

Die Parallelsession II, moderiert von Dr.-Ing. Peter J. Hoppen, Brühl, befasste sich mit der „Verschlüsselung zwischen Recht und Technik“. Eingangs lieferte Klaus Landefeld, Vorstand Infrastruktur und Netze, eco – Verband der Internetwirtschaft e.V., Köln, einen Praxisbericht zu Backdoors. Dr. Sebastian Pape, Institute of Business Informatics, Goethe-Universität Frankfurt/M., stellte die technischen Bedingungen wirksamer Verschlüsselung dar, und Prof. Dr. Matthias Bäcker, Universität Mainz, beantwortete die Frage nach einem staatlichen Anspruch auf Entschlüsselung.

Im Anschluss an die Parallelsessions wurde die jährliche Mitgliederversammlung abgehalten. Der Festabend fand in der Villa Merton statt und bildete den Rahmen für die Verleihung des DSRI-Wissenschaftspreises durch Prof. Dr. Alfred Büllesbach, Vorsitzender des Stiftungsrates der DSRI. Die Festrede hielt Prof. Dr. Thomas Dreier, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), der anlässlich des 40-jährigen Jubiläums der Gesellschaft die Herausforderungen in der Vergangenheit und für die Zukunft in den Blick nahm.

Der Samstag unter Moderation von Prof. Dr. Andreas Wiebe, Universität Göttingen, war dem automatisierten Recht gewidmet. Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Franz Josef Radermacher, Universität Ulm, hielt eine Keynote zur Herrschaft der Algorithmen. Es folgte eine rechtsdogmatische Perspektive zu automatisierten Rechtsdienstleistungen von Prof. Dr. Peter Rott, Universität Kassel. Abgerundet wurde der Themenblock durch zwei Praxisbeispiele von Rechtsanwalt Dr. Philipp Kadelbach, Flightright GmbH, Potsdam, und Dr. Micha-Manuel Bues, LEVERTON GmbH, Berlin.

Ihren Ausklang fand die Jubiläumstagung bei einer Kuratorenführung durch die Sammlung der Gegenwartskunst des Städel Museum mit Dr. Martin Engler, Head of Contemporary Art, Städel Museum.

IV. DSRI-Herbstakademie, Hamburg (14.–17.9.2016)

Die DSRI-Herbstakademie richtet sich an Nachwuchsjuristen und lädt zu Kurzvorträgen über aktuelle Themen aus dem Informationstechnologierecht (Gewerbliche Schutzrechte, Telekommunikationsrecht, Fernabsatzrecht, Datenschutzrecht, Strafrecht) ein. Das Oberthema der 17. Herbstakademie lautete „Smart World – Smart Law? Weltweite Netze mit regionaler Regulierung“. Sie fand mit rund 300 Teilnehmern an der Bucerius Law School in Hamburg statt. Zusätzlich zu den Einreichungen wird innerhalb der einzelnen Themenblöcke die Rechtsentwicklung der letzten 12 Monate in „Updates“ von Experten vertieft.

Die Beiträge der Herbstakademie erscheinen pünktlich zur Tagung in einer umfangreichen Printpublikation. Über die Website der DSRI (www.dsri.de) sind die Vorträge auch als Podcast abrufbar.

V. Aktivitäten der Fachausschüsse

Die Fachausschüsse gestalteten im Jubiläumsjahr ein vielfältiges Programm und bearbeiteten aktuelle Themen ihres jeweiligen Bereichs. Sie trafen sich im Jahr 2016 zu insgesamt 11 Sitzungen.

Fachausschuss Softwareschutz

Im Fachausschuss Softwareschutz wurden am 18.2.2016 softwareurheberrechtliche Besichtigungsansprüche, deren prozessuale Geltendmachung und die Grenzen aufgrund moderner Technologien behandelt. Anhand einiger Fallbeispiele stellte Dipl.-Inf. Markus Schmidt, München, die typischen Aufgabenstellungen für einen IT-Sachverständigen vor. Er ging auf die Planung und Vorbereitung eines Besichtigungstermins ein und erläuterte den üblichen Ablauf einer Besichtigung unter Berücksichtigung von Strategien für die Beweissicherung. Anschließend erörterte RA Dr. Christian Frank, München, die rechtlichen Aspekte des Besichtigungsverfahrens. Neben den einschlägigen gesetzlichen Grundlagen ging er insbesondere auf die Besonderheiten ein, wenn das Besichtigungsverfahren mit einem Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes kombiniert wird. Hierbei standen taktische Überlegungen, aber auch praktische Aspekte im Fokus, wie etwa die Formulierung von Anträgen, der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im Verfahren sowie die unterschiedliche Gerichtspraxis zur Annahme eines Verfügungsgrundes.

Der Fachausschuss traf sich erneut am 6.10.2016 in Stuttgart. In der Sitzung wurde die Frage aufgeworfen, was heute eigentlich Software ist und moderne Computerprogramme im Lichte des § 69a UrhG untersucht. Zunächst gab der IT-Sachverständige Dr. Oliver Stiemerling, Köln, einen Überblick über die Struktur und Eigenschaften moderner Computerprogramme. Im Fokus standen dabei Programmiertechniken, die Teile von klassischen Computerprogrammen in andere Ausdrucksformen und Dateitypen „auslagern“. Die vorgestellten Techniken wurden von RA Jens Nebel, Essen, juristisch bewertet. Hierbei stellt sich vielfach die Frage nach der Abgrenzung zwischen Computerprogramm und bloßen Daten, die keinen urheberrechtlichen Schutz als Computerprogramm beanspruchen können. Es wurde die These diskutiert, dass der Begriff des Computerprogramms aus heutiger Sicht zu eng gefasst ist und dem aktuellen Stand der Technik nicht mehr entspricht.

Fachausschuss Vertragsrecht

Auch der Fachausschuss Vertragsrecht kam zwei Mal zu Sitzungen zusammen. Die Vertragsjuristen trafen sich am 15.4.2016 in München, um über agile Softwareentwicklungsmethodik zu diskutieren. Dr. Thomas Eisenbarth, Diplominformatiker und Geschäftsführer der makandra GmbH, Augsburg, führte zunächst in die Terminologie und den Ablauf agiler Softwareentwicklungsmethodik ein. Sodann befasste sich RAin Elke Bischof, München, mit den vertraglichen Aspekten.

Das zweite Treffen der Vertragsjuristen fand am 28.10.2016 in Köln statt. Es ging um Hackertechniken und Penetrationtest-Vereinbarungen. Diplom-Wirtschaftsinformatiker Martin G. Wundram erläuterte aus technischer Sicht, auf welche Weise „Hacker“ versuchen, in IT-Systeme zu gelangen, wo die Schwachstellen liegen und wie man diese schließen kann. RA Dr. Lutz Keppeler untersuchte sodann „Penetrationtest-Vereinbarungen“, die von Unternehmen verwendet werden, um die Belastbarkeit ihrer Systeme zu testen.

Fachausschuss Firmenjuristen

Die Firmenjuristen kamen am 22.4.2016 in Berlin zusammen. Bei diesem Treffen ging es um Safe Harbor, Privacy Shield & Co. – Sachstand zum Datentransfer in die USA (RA Dr. Olaf Koglin), Open Source Compliance: Was haben IT-Unternehmen zu beachten? (RA Dr. Till Jaeger), Axel Springer im Wandel – Change Management und die moveBox (Kati Nadje) sowie das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte – praktische Erfahrungen und Tipps (RA Kai Recke). Abgerundet wurde das Treffen mit einer Führung durch den Journalistenclub und die Geschichte des Axel Springer Verlags.

Ein zweites Treffen fand am 11.11.2016 bei der GFT Technologies SE in Stuttgart statt. In einer Diskussionsrunde wurden zunächst die Möglichkeiten und Beschränkungen bei Rechtswahl und Rechtsgestaltung erörtert (Syndikusrechtsanwältin Ines Wasserka, RA Stefan Auer). RA Dr. Tobias Bosch befasste sich mit der Vertragsgestaltung bei agiler Softwareentwicklung. RA Christof Höfner stellte Überlegungen zur „Restrukturierung“ der Rechtsabteilung an: Bedrohung oder Chance – Strategie und Optionen. Des Weiteren standen mit dem Privacy Shield die Neuregelungen zum internationalen Datenverkehr auf dem Programm (RA Dr. Wulf Kamlah).

Fachausschuss Internet und eCommerce

Der Fachausschuss Internet und eCommerce befasste sich am 29.6.2016 mit den Auswirkungen der Datenschutzgrundverordnung auf Internet & eCommerce. RAin Dr. Michaela Weigl, Frankfurt/M., stellte anhand konkreter Fallbeispiele die Änderungen zur gegenwärtigen Rechtslage dar, die von Unternehmen ab dem 25.5.2018 (an dem die Datenschutzgrundverordnung Geltung erlangt) zu beachten sind. Sie ging auch darauf ein, wie die enge Übergangsfrist möglichst gut genutzt werden kann. In einem zweiten Vortrag behandelte RA Dr. Carsten Ulbricht, Stuttgart, die für Unternehmen im Zusammenhang mit Internet und eCommerce besonders relevanten Themen Big Data, Customer Relationship Management & Co aus heutiger Sicht und nach Einführung der Datenschutzgrundverordnung.

Fachausschuss Schlichtung

Am 7.10.2016 stellten Prof. Dr. Axel Metzger und Urs Albrecht Klein in Berlin das Schlichtungsverfahren der DGRI als effizientes Instrument alternativer Streitbeilegung vor. Die Schlichtungsstelle IT der DGRI besteht seit nunmehr über 20 Jahren und wird von Prof. Metzger seit dem 1.1.2015 an der Humboldt-Universität zu Berlin betreut. In der Sitzung wurden die Erkenntnisse aus einer Auswertung der Verfahrensstatistiken erläutert und das Schlichtungsverfahren anderen Streitbelegungsinstrumenten gegenübergestellt. Im Vergleich zum gerichtlichen Verfahren, das starren prozessualen Regeln unterliegt und bei dem der IT-Sachverständige in der Regel erst in einer späten Phase zum Einsatz kommt, wenn die Hürden für eine gütliche Einigung schon hoch sind, besitzt er in einem Schlichtungsverfahren größere Spielräume. Dipl.-Inf. Dr. Thomas P. Schneider, Brühl, legte dar, wie der IT-Sachverständige diese Spielräume nutzen kann, um auf eine erfolgreiche Schlichtung hinzuwirken und welche Regeln er dabei beachten sollte. In einem weiteren Vortrag erläuterte Dr. Susanne Lilian Gössl, Universität Bonn, die Hintergründe und wesentlichen Regelungen des 2016 in Kraft getretenen Verbraucherstreitbelegungsgesetzes (VSBG). Sie ging dabei insbesondere auf Fragen der Streitbeilegung im Online- oder eCommerce-Bereich ein.

Fachausschuss Telekommunikations- und Medienrecht

Der Fachausschuss Telekommunikations- und Medienrecht traf sich am 17.11.2016 in Frankfurt. Thema der Sitzung war die Regulierung von OTT-Diensten. Zu den sog. Over-The-Top („OTT“) Anbietern gehören etwa Messaging-Dienste wie WhatsApp oder auch Internet-Telefoniedienste wie Skype. Sie stehen zunehmend im Wettbewerb zu den klassischen Telekommunikationsdiensten, z.B. zu SMS-Diensten und zur Sprachtelefonie. Bei der weiteren Gestaltung des Rechtsrahmens sind die Verpflichtungen der Anbieter von OTT-Diensten und für Anbieter von klassischen Telekommunikationsdiensten neu auszubalancieren. Die Sitzung stand vor dem Hintergrund einer Reform des gemeinschaftsrechtlichen Rechtsrahmens für die elektronische Kommunikation (Telecom Review). Auf nationaler sowie supranationaler Ebene werden Vorschläge für die Ausgestaltung der künftigen rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen diskutiert, die zu einem „Level Playing Field“ zwischen klassischen Telekommunikationsdiensten und OTT-Diensten führen sollen (z.B. hinsichtlich datenschutzrechtlicher Anforderungen, Kundenschutz, staatlicher Überwachungsmaßnahmen).

In der Sitzung gab zunächst Friedhelm Dommermuth, Abteilungsleiter Regulierungsökonomie, Bundesnetzagentur, einen Überblick über den Stand der aktuellen Diskussion. Prof. Dr. Bernd Holznagel, Universität Münster, stellte die Vorschläge des wissenschaftlichen Arbeitskreises der Bundesnetzagentur vor. RA Sven-Erik Heun, präsentierte die Entwicklungen auf EU-Ebene, und RAin Caroline Heinickel, beide Frankfurt/M., gab einen rechtsvergleichenden Überblick zur Regulierung von OTT-Diensten.

Aus der Sitzung resultierte eine Stellungnahme zur Reform des EU-Rechtsrahmens für die elektronische Kommunikation („Kodex-E“). Die Europäische Kommission hatte im September 2016 einen Vorschlag für die Reform des europäischen Rechts der elektronischen Kommunikation vorgelegt, der zwei Rechtsakte umfasst: Zum einen den „Europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation“, zum anderen den Entwurf einer Verordnung, mit der das beratende Gremium Europäischer Regulierungsstellen für Elektronische Kommunikation (GEREK) in eine EU-Agentur umgewandelt werden soll. Mit der Richtlinie über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (COM(2016)590 final) sollen vier der fünf derzeit bestehenden, zuletzt 2009 reformierten Richtlinien des EU-Telekommunikationsrechts zusammengefasst, übersichtlicher strukturiert und an die geänderten Marktbedingungen angepasst werden. Die DGRI-Stellungnahme gelangt zu dem Ergebnis, dass die geplante Reform des EU-Rechtsrahmens für die elektronische Kommunikation zu begrüßen ist und kommentiert ausgewählte, zentrale Punkte der vorgeschlagenen Neuregelung. Sie ist im Volltext abrufbar unter www.dgri.de.

Fachausschuss Outsourcing

Beim Fachausschuss Outsourcing standen am 7.12.2016 in München der Einsatz neuer Technologien (Robotics, Digitalisierung, Cloud & Co.) im Outsourcing und die rechtlichen Implikationen bei der Gestaltung von Auslagerungsverträgen auf dem Programm. Das Thema wurde mit drei Vorträgen beleuchtet: Digital Robotics in Large Enterprises (Devin Gharibian-Saki, Chief Solution Officer, Redwood Software Deutschland GmbH), Von Outsourcing zu Insourcing … zu Outsourcing – die Digitalisierung verschiebt die Grenzen (Karel Dörner, Senior Partner und Leiter der McKinsey Digital Labs Europa, McKinsey & Company) sowie die rechtliche Implikationen von Automatisierungstechniken in IT-Outsourcing-Verträgen (Prof. Dr. Peter Bräutigam, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Informationstechnologierecht, Noerr LLP).

Fachausschuss Datenschutz

Zum Abschluss des Jubiläumsjahres setzte sich der Fachausschuss Datenschutz am 9.12.2016 in München – wie zuvor schon die Beiratstagung zum Auftakt des Jubiläumsjahres – mit der EU-Datenschutzgrundverordnung auseinander und initiierte einen Erfahrungsaustausch zur Umsetzung als Projekt im Unternehmen. Nach Impulsvorträgen vom Ministerialrat Michael Will, Leiter des Referats Datenschutz im Bayerischen Innenministerium (Änderungen für das deutsche Datenschutzrecht aufgrund der DSGVO) und Thomas Kranig, Präsident des Bayerischen Landesamts für Datenschutzaufsicht (DSGVO – Aktueller Umsetzungsstand bei den Aufsichtsbehörden) ging es um die praktischen Vorgaben der EU-Datenschutzgrundverordnung, etwa zu Verfahrensverzeichnis, Datenübertragbarkeit und Privacy Impact Assessment.

VI. Publikationen

Stellungnahmen der DGRI

Im Jahr 2016 wurden zwei Stellungnahmen erarbeitet.

Zunächst beteiligte sich die DGRI an der von der Europäischen Kommission vom 23.03.–15.6.2016 durchgeführten „Public consultation on the role of publishers in the copyright value chain and on the ‚panorama exception‘“. Die Stellungnahme vom 13.6.2016 konzentrierte sich auf die digitale Nutzung von (Verleger-) Inhalten im Internet und die Ausrichtung des Leistungsschutzrechts auf „Online Service Provider“.

Nach Abschluss der öffentlichen Konsultation legte die Europäische Kommission am 14.9.2016 eine Reihe von Dokumenten und Regelungsvorschlägen zur Reform des Europäischen Urheberrechts vor, zu denen das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz eine Anhörung der Verbände durchführte. Hierzu nahm die DGRI am 28.10.2016 Stellung und beschränkte sich dabei gemäß dem Schwerpunkt ihrer Tätigkeit auf die Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt (COM (2016) 593 final), spezifisch auf die Regelungen zum Leistungsschutzrecht für Presseverleger (Art. 11 des Richtlinienvorschlags) und zur Nutzung geschützter Inhalte durch Onlinedienste (Art. 10 und 13 des Richtlinienvorschlags).

Die DGRI steht der Einführung eines Leistungsschutzrechts für (Presse-)Verleger ablehnend gegenüber und begründet ihre Auffassung mit der mangelnden rechtlichen und wirtschaftlichen Erforderlichkeit sowie den nachteiligen wettbewerbsverzerrenden Wirkungen. Beide Stellungnahmen sind in diesem Band abgedruckt und stehen im Volltext unter www.dgri.de, dort in der Rubrik Stellungnahmen, zum Download zur Verfügung.

Journal of Intellectual Property, Information Technology and eCommerce Law (JIPITEC)

Die Kooperation mit JIPITEC wurde fortgesetzt und der Herausgeberkreis erweitert. Die JIPITEC ist ein vierteljährlich erscheinendes, peer reviewtes (double blind) Open Access Journal für die Analyse aktueller Fragen mit Bezug zum europäischen und internationalen Recht. In den Kreis der Herausgeber aufgenommen wurde Prof. Chris Reed, Queen Mary University of London (UK). Daneben sind mit Prof. Dr. Thomas Dreier, Karlsruher Institut für Technologie, Prof. Dr. Séverine Dusollier, SciencesPo Paris, Dr. Lucie Guibault, Dalhousie University, Halifax, Prof. Dr. Axel Metzger, Humboldt-Universität zu Berlin, Prof. Dr. Miquel Peguera Poch, Universitat Oberta de Catalunya, Prof. Dr. Karin Sein, University of Tartu und Prof. Dr. Gerald Spindler, Georg-August-Universität Göttingen, auch Deutschland, Frankreich, Kanada, Spanien und Finnland unter den Herausgebern vertreten.

Informationen zur Einreichung von Beiträgen und den Einreichungsfristen sind abrufbar unter www.jipitec.eu.

VII. Schlichtungsstelle IT der DGRI

Die Schlichtungsstelle IT der DGRI ist an der Humboldt-Universität zu Berlin angesiedelt und wird von Prof. Dr. Axel Metzger betreut. Seit Einrichtung der Schlichtungsstelle im Jahr 1991 wurden bis Ende 2016 über 100 Verfahren betreut und abgeschlossen. Dabei wurde auf die Expertise von 30 im IT-Recht spezialisierten Schlichtern und mehr als 15 öffentlich bestellten und vereidigten IT-Sachverständigen zurückgegriffen.

2016 wurde eine umfassende Auswertung aller bei der Schlichtungsstelle durchgeführten Verfahren zur Effizienz der Schlichtung im IT-Bereich vorgenommen. Bei Verfahren im IT-Bereich gibt es keine „Idealstrategie“, sondern es sind immer die Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen. Gegenüber der ordentlichen und der Schiedsgerichtsbarkeit bietet das Schlichtungsverfahren aber eine Reihe von Vorteilen, da Konflikte im Wege der Schlichtung vergleichsweise rasch und kostengünstig beigelegt werden können und sich durch die einvernehmliche Konfliktlösung die Chance auf eine weitere Fortsetzung der Zusammenarbeit bietet. Umgekehrt ist der Weg zu den ordentlichen Gerichten nicht versperrt, die Parteien können jederzeit aus dem Verfahren austreten. Anhand der Statistik wurden die Erfolgsaussichten des DGRI-Schlichtungsverfahrens, die durchschnittliche Höhe der Streitwerte, die durchschnittliche Verfahrensdauer und die Verfahrenskosten im Vergleich zu den Kosten eines DIS-Schiedsverfahrens oder eines Hauptsacheverfahrens bei den ordentlichen Gerichten untersucht. Eine Übersicht über und Zusammenfassung aller Erkenntnisse aus der statistischen Auswertung findet sich abgedruckt in CR 2017, 73-77.

VIII. Seminare und Workshops in Kooperation mit Dr. Otto Schmidt

Die gemeinsame Veranstaltungsreihe mit dem Verlag Dr. Otto Schmidt wurde 2016 mit folgenden Veranstaltungen fortgesetzt:

Den Auftakt bildeten am 17./18.3.2016 die Kölner Tage zum IT-Recht. Unter der Tagungsleitung von RA Dr. Malte Grützmacher, Hamburg, und Prof. Dr. Gerald Spindler, Universität Göttingen, wurden IT-Verträge und neue Trends im Unternehmen in den Blick genommen. Auf dem Programm standen ein Rechtsprechungsupdate, AGB-Recht, Virtualisierung und Softwareschutz, Lock-in bei dauerhaften IT-Verträgen, Softwareentwicklung mit Dritten, Industrie 4.0 sowie Datenschutz und IT-Sicherheit.

Erstmalig wurden am 27./28.6.2016 die Kölner Tage Datenschutzrecht abgehalten. Die Tagungsleitung hatten Prof. Niko Härting und Dr. Kai-Uwe Plath. Die ersten Kölner Tage Datenschutzrecht behandelten die DSGVO und ihre Umsetzung in Unternehmen und Behörden. Die Themen waren: Kernelemente der DSGVO, Auswirkungen der neuen DSGVO auf Unternehmen, praxisrelevante Anwendungsbereiche sowie die Umsetzung der DSGVO in verschiedenen Branchen.

Am 2.9.2016, Köln/17.10.2016, München/7.11.2016, Berlin, schloss sich ein Praxisseminar zur Umsetzung der DSGVO in Unternehmen und Behörden an. Es referierten Prof. Niko Härting und Sebastian Schulz.

Es folgte ein Update zum IT-Recht 2016 am 7.12.2016 in Köln von Prof. Dr. Fabian Schuster und Michael Karger.

IX. Sonstige Veranstaltungen

Am 16.12.2016 fand im ZKM │ Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe eine Filmvorführung mit anschließender Diskussion zum Thema Sicherheit oder Datenschutz: Ein falscher Gegensatz? Statt. Veranstalter waren GFT Technologies SE (GFT), ZKM und die Gesellschaft für Informatik e.V. (GI).

Gezeigt wurde der Dokumentarfilm „Good American“ des österreichischen Regisseurs Friedrich Moser. Er handelt von William Binney, der über drei Jahrzehnte hinweg Analyst der National Security Agency (NSA) und zuletzt als technischer Direktor und Chefentwickler eines Datenanalyseprogramms namens „ThinThread“ tätig war. Sein Konzept der Datenanalyse basiert auf einer Reduktion auf wenige Datenkategorien, die wirklich wesentlich sind (weniger ist mehr). Die Filmvorführung diente als Ausgangspunkt für eine Diskussion über die Rolle der Nachrichtendienste sowie über das Spannungsverhältnis zwischen Sicherheit und Datenschutz. Neben dem Regisseur des Films waren anerkannte Experten zu technischen Fragen der Sicherheit und des Datenschutzes geladen. Es diskutierten unter Moderation von Ernst O. Wilhelm (GFT) Prof. Bernhard Esslinger (CrypTool Project), Prof. Dr. Dirk Heckmann (Universität Passau), Prof. Peter Weibel (ZKM) und Regisseur Fritz Moser.

X. Preise und Auszeichnungen

Den Wissenschaftspreis der Deutschen Stiftung für Recht und Informatik (DSRI) 2016 erhielt Dr. Martin Sebastian Haase für seine Dissertation zu Fragen des Personenbezugs. Er setzt sich in seiner Arbeit – bereits unter Berücksichtigung der EU-DSGVO – mit dem Merkmal der personenbezogenen Daten und dem sachlichen Anwendungsbereich des Datenschutzrechts auseinander. Begründet wurde die Auszeichnung u.a. mit der umfassenden und ausgewogenen Darstellung.

Der Preis ist dotiert mit 2.000 Euro und wird für eine herausragende Dissertation oder Habilitationsschrift auf dem Gebiet des Informationsrechts oder der Rechtsinformatik vergeben. Das Preisgeld wird von der DGRI zur Verfügung gestellt.

XI. Wissenswertes aus der DGRI

Mitgliederentwicklung

Per 31.12.2016 belief sich die Zahl der Mitglieder auf 778, davon 33 Firmen und 745 Einzelmitgliedschaften.

Personalia

In der Mitgliederversammlung wurden für eine weitere Amtsperiode wiedergewählt die Vorstandsmitglieder Prof. Dr. Dirk Heckmann (1. Vorsitzender), Dr.-Ing. Peter J. Hoppen (stellvertretender Vorsitzender), Prof. Dr. Dr. Walter Blocher, Dr. Robert G. Briner und Dr. Axel Funk.

Im Beirat wurde Dr. Matthias Scholz für eine weitere Amtsperiode durch die Mitgliederversammlung bestellt.

Kassenprüfer sind für ein weiteres Jahr Prof. Dr. Stefan Ernst und Jan Spoenle.

Geschäftsstelle

Eine personelle Veränderung gab es in 2016 in der Geschäftsstelle. Katja Sommer veränderte sich örtlich und schied im Zuge ihres Umzugs im August 2016 aus. Ihr gilt ein besonderer Dank für ihre langjährige und wertvolle Mitarbeit in der Geschäftsstelle der DGRI. Bis Ende des Jahres wurde das Sekretariat der Geschäftsstelle interimsmäßig von Aline Ferner betreut.

Neben den Verwaltungsaufgaben wie Buchhaltung, Mitgliederverwaltung und
Mitgliederkommunikation, Pflege und Aktualisierung der Website sowie Informationen der Mitglieder per Rundschreiben kümmert sich die Geschäftsstelle federführend um die Veranstaltungsorganisation und ist Ansprechpartner für die Kooperationspartner und Sponsoren.

Darüber hinaus koordiniert und organisiert die Geschäftsstelle die Beteiligung der Gesellschaft an Verbändeanhörungen und EU-Konsultationen. Neben diesen ständigen Aufgaben wurde in 2016 in Zusammenarbeit mit der der pro concept Gesellschaft für Markenimpulse mbH, Köln (ein Unternehmen der BrandGalaxy Group) ein Konzept für die Neugestaltung des Außenauftritts der DGRI erarbeitet. Anlässlich des Jubiläums wurde es zur Jahrestagung erstmalig präsentiert und soll sukzessive auf alle Kommunikationsmaterialien und Medien der DGRI übertragen werden.